Photo-3D-Composings 2004 – 2018
Artist Statement
Seit 2004 fotografiere ich systematisch verlassene Fabrikhallen und Werkstätten, aufgegebene Lager- und Büroräume, verkommene Kultursäle, entweihte Kirchen und vereinsamte Kasernen. Diese Räume liegen außerhalb unserer gewohnten Alltagserfahrung. Sie zeichnen sich aus durch die Kategorien der Vergängnis und des Zerfalls, der zerstörerischen Formwandlung und zufälligen Strukturbildung. Es ist der Wirkungsbereich der Entropie und das Zauberland chaotischer Zersetzungsprozesse, die diesen internen architektonischen Welten ihre absurde Ästhetik verleihen.
Doch die aufwendig digital fotografierten Räume sind für mich kein fotodokumentarisches Endprodukt, wie beispielsweise bei Stephen Wilkes‘ Serie „Ellis Island“. Ähnlich wie bei Georges Rousse stellen die vorgefundenen leeren Räume lediglich die Ausgangsbasis für die darauf folgenden künstlerisch-kreativen Prozesse dar. Während Georges Rousse direkt in die Räume eingreift, indem er seinen illusionistischen Formen mit Farbe an die Wände malt und zum Schluss fotografiert, findet bei mir der gestalterische Prozess ausschließlich am Computer statt. Inspiriert von den leeren Raumsituationen werden Objekte am Rechner konstruiert oder zusätzlich fotografiert und als virtuelle Installationen im architektonische Umfeld platziert. So entstehen Ereignisbühnen, angefüllt mit seltsamen Objekten, monströsen Gewächsen und eigentümlichen Geräten. Die Szenerien zeigen rätselhafte Versuchsanordnungen und Fundorte von Fremdartigem, Seltsames dringt ein oder ungewöhnliche Naturalien werden in Kombination mit technischen Vorrichtungen präsentiert. Es gibt Räume in denen Wachstumsversuche und mysteriöse Tests stattfinden, Anpflanzungen fremdartiger Gewächse gedeihen, kristalline Gebilde wuchern und zurückgelassene Kampftechnik floral vereinnahmt wird. Der Mensch selbst fehlt in den Inszenierungen, hat sie verlassen, vergessen, sich selbst überlassen oder ist einfach gerade nicht anwesend.
Die inhaltlichen Wurzeln der Arbeiten liegen in meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung und meinem Interesse an bio-technologischen Zusammenhängen. Ich versuche Interaktionen und Einflüssse zwischen Natur und humaner Sphäre, zwischen anthropogenen Absichten und natürlichen Prozessen zu untersuchen und darzustellen. Die Arbeit an den Bildern geschieht dabei mehr intuitiv ohne dass ich mich auf konkrete inhaltliche Aussagen oder Formulierungen festlege.
Ich bevorzuge morbide, verfallende Architekturen weil mich an ihnen die von Zufallsprozessen beeinflussten strukturellen ästhetischen Details interessieren. Bauwerke, sich selbst überlassen, ohne menschlichen Erhaltungsaufwand, unterliegen den an ihnen arbeitenden Naturgesetzen.
Die Räume finde ich in den architektonischen Relikten der Industrie- und Kulturbauten Osteuropas, aber auch in Ostbayern, wo beispielsweise in den 1990er Jahren zahlreiche Porzellanfabriken geschlossen wurden.
Auf ausgedehnten fotografischen Exkursionen durch die Städte Ostdeutschlands, Tschechiens und Polens spüre ich die Gebäude auf, dringe in sie ein und fotografiere die für mich interessanten Raumsituationen im HDR-Verfahren (Hight Dynamic Range). Mein digitales Archiv umfasst inzwischen mehrere tausend Raumaufnahmen aus denen ich die Motive für meine aktuellen Arbeiten auswählen kann. Zahlreiche der bereits fotografierten Objekte wurden inzwischen abgerissen und mussten modernen Bauten weichen. Deshalb bin ich bemüht, möglichst viele dieser verschwindenden architektonischen Überbleibsel fotografisch zu dokumentieren, um sie später als Ausgangsmaterial für meine virtuellen Installationen verwenden zu können.
Georg Hornung, April 2008
Artist Statement (Engl.)
Seit 2004 fotografiere ich systematisch verlassene Fabrikhallen und Werkstätten, aufgegebene Lager- und Büroräume, verkommene Kultursäle, entweihte Kirchen und vereinsamte Kasernen. Diese Räume liegen außerhalb unserer gewohnten Alltagserfahrung. Sie zeichnen sich aus durch die Kategorien der Vergängnis und des Zerfalls, der zerstörerischen Formwandlung und zufälligen Strukturbildung. Es ist der Wirkungsbereich der Entropie und das Zauberland chaotischer Zersetzungsprozesse, die diesen internen architektonischen Welten ihre absurde Ästhetik verleihen.
Doch die aufwendig digital fotografierten Räume sind für mich kein fotodokumentarisches Endprodukt, wie beispielsweise bei Stephen Wilkes‘ Serie „Ellis Island“. Ähnlich wie bei Georges Rousse stellen die vorgefundenen leeren Räume lediglich die Ausgangsbasis für die darauf folgenden künstlerisch-kreativen Prozesse dar. Während Georges Rousse direkt in die Räume eingreift, indem er seinen illusionistischen Formen mit Farbe an die Wände malt und zum Schluss fotografiert, findet bei mir der gestalterische Prozess ausschließlich am Computer statt. Inspiriert von den leeren Raumsituationen werden Objekte am Rechner konstruiert oder zusätzlich fotografiert und als virtuelle Installationen im architektonische Umfeld platziert. So entstehen Ereignisbühnen, angefüllt mit seltsamen Objekten, monströsen Gewächsen und eigentümlichen Geräten. Die Szenerien zeigen rätselhafte Versuchsanordnungen und Fundorte von Fremdartigem, Seltsames dringt ein oder ungewöhnliche Naturalien werden in Kombination mit technischen Vorrichtungen präsentiert. Es gibt Räume in denen Wachstumsversuche und mysteriöse Tests stattfinden, Anpflanzungen fremdartiger Gewächse gedeihen, kristalline Gebilde wuchern und zurückgelassene Kampftechnik floral vereinnahmt wird. Der Mensch selbst fehlt in den Inszenierungen, hat sie verlassen, vergessen, sich selbst überlassen oder ist einfach gerade nicht anwesend.
Die inhaltlichen Wurzeln der Arbeiten liegen in meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung und meinem Interesse an bio-technologischen Zusammenhängen. Ich versuche Interaktionen und Einflüssse zwischen Natur und humaner Sphäre, zwischen anthropogenen Absichten und natürlichen Prozessen zu untersuchen und darzustellen. Die Arbeit an den Bildern geschieht dabei mehr intuitiv ohne dass ich mich auf konkrete inhaltliche Aussagen oder Formulierungen festlege.
Ich bevorzuge morbide, verfallende Architekturen weil mich an ihnen die von Zufallsprozessen beeinflussten strukturellen ästhetischen Details interessieren. Bauwerke, sich selbst überlassen, ohne menschlichen Erhaltungsaufwand, unterliegen den an ihnen arbeitenden Naturgesetzen.
Die Räume finde ich in den architektonischen Relikten der Industrie- und Kulturbauten Osteuropas, aber auch in Ostbayern, wo beispielsweise in den 1990er Jahren zahlreiche Porzellanfabriken geschlossen wurden.
Auf ausgedehnten fotografischen Exkursionen durch die Städte Ostdeutschlands, Tschechiens und Polens spüre ich die Gebäude auf, dringe in sie ein und fotografiere die für mich interessanten Raumsituationen im HDR-Verfahren (Hight Dynamic Range). Mein digitales Archiv umfasst inzwischen mehrere tausend Raumaufnahmen aus denen ich die Motive für meine aktuellen Arbeiten auswählen kann. Zahlreiche der bereits fotografierten Objekte wurden inzwischen abgerissen und mussten modernen Bauten weichen. Deshalb bin ich bemüht, möglichst viele dieser verschwindenden architektonischen Überbleibsel fotografisch zu dokumentieren, um sie später als Ausgangsmaterial für meine virtuellen Installationen verwenden zu können.
Georg Hornung, April 2008
Wolfgang Herzer – Katalogtext
GEORG HORUNG – EREIGNISBÜHNEN
Virtuelle Installationen
Georg Hornung wird 1951 in Glauchau / Sachsen geboren, er ist vielseitig interessiert, macht eine Lehre als Gärtner, Abitur, naturwissenschaftliches Studium, in den 70er Jahren beginnt eine autodidaktische künstlerische Entwicklung: Zeichnungen, Druckgraphik, und vor allem fotografische Arbeiten entstehen: experimentell, seriell, montage-technisch. Später im Westen auch fotokünstlerische Firmenaufträge.
Er lässt sich 1989 in den Westen ausbürgern. Die Wende, die kurz darauf folgte, hatte Niemand erwartet. Hornung lebt heute in Weiden. 2009 wurde er in einem oberpfalzweiten Rankingrojekt des Medienhauses DER NEUE TAG unter die 11 herausragenden oberpfälzer Künstler gewählt. Der Titel des Projektes KUNST= KAPITAL. Hornungs Fotokunst ist heute hauptsächlich digital und computer-gestützt. Seit 2004 gibt es tendenziell das zu sehen, was in dieser Ausstellung im Vollbild vorliegt: Virtuelle Installationen.
Was sehen wir?
Wir sehen: verlassene Fabrikhallen und Werkstätten, aufgegebene Lager- und Büroräume, verkommene Kultursäle, entweihte Kirchen und vereinsamte Kasernen. So sagt das Hornung in einer eigenen Beschreibung.
Leerstände aller Art. Hier machen wir Erfahrungen, hier erleben wir Überraschungen, die jenseits der Alltags-Wahrnehmung liegen, sie lassen sich kaum in Worte fassen. Man sieht, was man weiß, sagt Goethe.
War da was?
Kennen Sie das, unterwegs in leeren Räumen, in verlassenen Häusern, einen Augenblick lang waren Sie überzeugt, nicht alleine zu sein, die leibhaftige Präsenz von etwas Anderem war spürbar geworden.
Das leere Gebäude ist ein bekannter Topos der Literatur und der Bild-Kunst, wir haben in unserer Region genug davon. Die heimische Wirtschaft kann ein traurig Lied davon singen.
Hornungs Archiv dokumentiert nebenbei auch so etwas wie die Geschichte regionaler Hauhaltsauflösungen, des Untergangs einstiger Kommunikations-Stätten aus Arbeits – und Kulturwelt.
Ein ähnlicher Topos wie das alte, leere Haus ist das technik-kritische Denk-Muster: Krieg zwischen Mensch und Natur, die Natur schlägt zurück, der Schimmelpilz zertrümmert die Wände. Die biologische Sukzession tritt ein, der natürliche Standort-Zustand ändert sich, die ökologische Balance schaukelt heftig.
Ich kenne Georg Hornung und seine Frau Bärbel seit 20 Jahren, wir trafen uns zum ersten Mal auf einer Versammlung der Weidener Grünen, kurz nach ihrer Ausbürgerung aus der DDR, politische und künstlerische Freiheit, diese zwei Seiten einer Medaille, und die Öko-Thematik waren die Brücke unseres künstlerischen und freundschaftlichen Interesses aneinander. Das Thema Ökologie, wenn damit gemeint ist, das Verhältnis von menschlich – technischem Artefakt und organischer, natürlicher Selbsttätigkeit, durchzieht mittlerweile ein umfangreiches, facetteneiches Werk. Es gründet auf fotografischem Bild-Ausgangsmaterial, das heute dank des virtuellen Speichers gigantischen Umfang hat, und gründet weiterhin auf dessen Bearbeitung mittels raffinierter Montagetechniken; ornamentale Anordnung der Bildelemente ist ein Kennzeichen, Durchdringung kategorial unterschiedlicher Räume, Schwarz-Weiß, allmählich erobert die handvermalte Farbe die Bildfläche.
Vor rund zehn Jahren erfolgt der Einstieg in die Computer-Technolgie, absolute Perfektion, die sich auch in der Veröffentlichung von zwei Lehrbüchern über digitale Bildbearbeitung darstellt. Das Schöpferisch-Intuitive und die rational – sprachliche Reflexion begleiten einander. Hornung ist sehr genau. Doch die wissenschaftliche Akkuratesse, die auf den einstigen Gärtner und das Chemiestudium in Leipzig verweist, erschöpft sich nicht in der kenntnisreichen und wegefindigen Beschwörung des Schönen und Erhabenen in der Natur. Hornung ist nicht nur fotografischer Scout oder Seh-Helfer, der uns Türen zum überwältigenden Schauspiel der Natur in Makro -und Mikrokosmos aufstößt. Seine Arbeiten beeindrucken durch eine Form – Farb – und Struktur-Ästhetik, wie sie dem Betrachter aus Ernst Haeckels „Kunstformen der Natur“ Ende des 19. Jhts und aus Karl Blossfeldts Fotografien Anfang des 20. Jhts exemplarisch entgegentreten. Aber nicht nur, und nicht im Wesentlichen.
Hornung kennt beide. Struktur- Paraden aus dem Geiste des Positivismus und eine heroische Plastizität, wie sie aus den klassizistischen Landschaften, der neuen Sachlichkeit, dem magischen Realismus a la Konrad Klapheck bekannt sind, dies treffen wir in seinen Arbeiten an. Aber das ist Baustoff, der Bauplan geht eigenwillig, eigenständig darüber hinaus.
Hornung bezeichnet seine Arbeiten als Virtuelle Installationen, dahinter steckt die klassische Form der Kombination von aussagestarken Versatzstücken zu neuen, in sich schlüssig erscheinenden Raum -und Zeit-Zusammenhängen. Es entstehen Ideen-Landschaften, Welt-Bühnen.
Googeln Sie mal: Josef Anton Koch. Landschaft mit Regenbogen (1805). Interessant, in diesem Zusammenhang zu betrachten. Im Falle von Hornung ließe sich vielleicht von ideellen Interieurs sprechen. Die Inszenierung dieser Zusammenhänge wird nicht in Öl auf Leinwand, sie wird am Rechner vollzogen, die Schnittstellen sind unauffindbar, scheinbar bruchloses, gewachsenes Ineinander. Hier wie dort bei nüchterner Betrachtung aber trotzdem: unrealistische Proportionen und Perspektiven, doch diese Nüchternheit bleibt außen vor, kaum hat der Betrachter einen Blick aufs Bild geworfen, kaum hat er Hornungs Interieurs betreten, da hat ihn auch schon der Sinn der Sachlage wie eine Schlingpflanze gefesselt, da will er mehr, und die realistische Unstimmigkeit ist eine feinsinnige Synkope, ist Teil einer ästhetischen Konzeption, einer empfindungs-sprachlichen Rhetorik, die aufs Ganze betrachtet eine Aura absoluter Glaubwürdigkeit herstellt. Auch wenn das alles, was wir sehen, nicht wirklich sein kann, so ist es doch wahr.
Und bezüglich dieser Aura betrachtet treten uns Hornungs Räume als Werk- und Lebensräume entgegen. Die Begriffe Festlichkeit, Dynamik, Spiel und Kommunikation bekommen anschaulichen Charakter, werden Bühne.
Pflanzliches tritt auf. Vegetabile Objekte, die wir aus den Kontexten Wald, Wiese, Garten, Park, Herbarium, Lehrbuch kennen. Ihre natürlichen Größen gegenüber der Architektur sind verändert, ihre Anordnung in den Räumen ist ausgesucht, beides geht auf merkwürdige Weise mit der Architektur konform, harmoniert mit ihr.
Was an diesem Eintritt der Natur in die Architektur im ersten Augenblick als Verfalls-Szenario erscheinen mag, als Ausdruck von Entropie und Auflösung, erhält beim zweiten Hinsehen eine konstruktive Aura, eine Aura kommunikativer, komplementärer, ritueller Bezogenheit. Das Miteinander der Elemente, die dieses Regelwerk bilden, ist labyrinthisch, Wege, Wege, wieder Wege. Der Augenblicks-Zustand öffnet sein Zeit-Gewand und zeigt eine Brache bis dato ungenutzter, unerschöpflicher Strukturen und Potenziale.
Das Bild, das wir wahrnehmen, erscheint als ökosozialer Aggregatzustand eines Bewusstseins, das mit der Natur längst Frieden geschlossen hat. Konkrete Utopie: Die Natur ist Mitglied der UNO. Ihre Gleichberechtigung ist ein Artikel des Welt-Grundrechtes.
Ist das Wunschdenken? Werden vielleicht einer bildnerischen Arbeit nach Belieben einmal mehr Interpretationen aufgesetzt, ganz nach Laune, ganz nach mentaler Konjunktur?
Und wenn nicht? Wie lässt Hornung diese Wunsch-Vorstellungen im ästhetischen Modell Wirklichkeit werden? Wie setzt er den Gedanken in Emotion und in eine in allen Fingern spürbar juckende Handlungsbereitschaft um?
Seit Beginn unseres Kulturkreises existiert das Sinnbild der Welt als Garten, als Paradies, als hortus conclusus, als Weinberg des Herrn, in all diesen Gärten war der Krieg gegen das Unkraut und gegen jede Art von ordnungswidrigem, lustbetontem Wildwuchs ein großes Thema. Bei Hornung ist das anders. Er entdämonisiert und kultiviert das Chaos, eine längst fällige Notwendigkeit, seitdem man von der herausragenden Rolle nicht linearer, komplexer Systeme beim Zusammenkommen des Welt-Gleichgewichtes weiß.
Ästhetisch beinhalten seine Arbeiten die spätmittelalterliche Farb, Licht- und Linien-Führung, eine subtile All-Over Nachbearbeitung und Neubestimmung der Farbwerte schafft kompositorische Aussagen, wie sie eigentlich nur in der Malerei möglich sind, der Ausdruck auf ein mittelstark texturiertes Bütten-Papier unterstreicht die malerisch haptische Anmutung, ein emotional-körperlicher Sog, der von diesen Qualitäten ausgeht, zieht den Betrachter in den Bildraum, der Betrachter erlebt eine bis ins Unendliche reichende Tiefenschärfe, Kantengenauigkeit und Lokalfarbigkeit, die das natürliche Auge mit dem Licht und den Linsen des Wissens verbessert, dieses Wissen ist es auch, das die pflanzliche Lebenswelt inauguriert.Vorhin meinten wir, die Räume sind im Großen und Ganzen leer. Leer? Nein, menschenleer.
Aber auch das nicht wirklich, betrachtet man die Natur als die eine, ihm, dem Menschen selber noch weitgehend unbekannte Seite seines Menschseins. Die Verlassenheit der Räume täuscht. Es ist eine besondere Form ganzheitlicher Aufgeräumtheit, das bis dato Undenkbare gastiert. Technik – und Zivilisations-Gestus der gebauten Räume, der orthogonalen Konstruktion, der Maschine, der einst getätigten körperlichen und gedanklichen Arbeits-Abläufe fließen mit den organischen Bewegungs-Strömen der Natur-Objekte in eins. Hinter den Arrangements bekannter Bilder von Aufstieg und Untergang der westlichen, technikorientierten Kultur scheinen Visionen auf, die für manche nur der Ausdruck frommen Glaubens sein mögen, im Forschungs-Feld der Bionik aber sind sie längst schon praktische Wirklichkeit geworden, die Biologie wird zur Fundgrube technischer Lösungen, Biologie und Elektronik brauchen einander, sie sind und waren es immer schon: Partner von Haus aus. Langsam begreift der Mensch, was er als Partner dieser Partnerschaft an seinem Partner hat, was sie einander sein können, sein müssen, liegt jenseits jeder Zweckverbindung, und hier sind Hornungs Bilder klug.
1648 gelang endlich der Westfälische Friede, die Oberpfalz war der Hauptkriegsschauplatz, 1989 endete der Kalte Krieg, ging der Eiserne Vorhang vor unserem Ostfenster auf, Religionen und Gesellschafts-Systeme im Clinch,ich weiß es natürlich nicht, halte es aber für möglich, dass Hornungs Arbeiten nur im historischen und geopolitischen Klima der Oberpfalz so werden konnten, wie sie geworden sind. Hornungs Bilder sind nach meiner Auffassung – und betrachten Sie das bitte nicht als Rechthaberei, als Drang danach, das letzte Wort haben zu wollen, sondern als Provokation und Anstoß zur Diskussion – jedes für sich ein ästhetischer Grundsatzartikel zum Friedens und – Gesellschafts-Vertrag mit der Natur. Das ist rechts-philosophisches Neuland, da gibt es vieles auszuformulieren, umzuformulieren, da dürfen wir noch viel erwarten.Seit 2004 fotografiere ich systematisch verlassene Fabrikhallen und Werkstätten, aufgegebene Lager- und Büroräume, verkommene Kultursäle, entweihte Kirchen und vereinsamte Kasernen. Diese Räume liegen außerhalb unserer gewohnten Alltagserfahrung. Sie zeichnen sich aus durch die Kategorien der Vergängnis und des Zerfalls, der zerstörerischen Formwandlung und zufälligen Strukturbildung. Es ist der Wirkungsbereich der Entropie und das Zauberland chaotischer Zersetzungsprozesse, die diesen internen architektonischen Welten ihre absurde Ästhetik verleihen.
Doch die aufwendig digital fotografierten Räume sind für mich kein fotodokumentarisches Endprodukt, wie beispielsweise bei Stephen Wilkes‘ Serie „Ellis Island“. Ähnlich wie bei Georges Rousse stellen die vorgefundenen leeren Räume lediglich die Ausgangsbasis für die darauf folgenden künstlerisch-kreativen Prozesse dar. Während Georges Rousse direkt in die Räume eingreift, indem er seinen illusionistischen Formen mit Farbe an die Wände malt und zum Schluss fotografiert, findet bei mir der gestalterische Prozess ausschließlich am Computer statt. Inspiriert von den leeren Raumsituationen werden Objekte am Rechner konstruiert oder zusätzlich fotografiert und als virtuelle Installationen im architektonische Umfeld platziert. So entstehen Ereignisbühnen, angefüllt mit seltsamen Objekten, monströsen Gewächsen und eigentümlichen Geräten. Die Szenerien zeigen rätselhafte Versuchsanordnungen und Fundorte von Fremdartigem, Seltsames dringt ein oder ungewöhnliche Naturalien werden in Kombination mit technischen Vorrichtungen präsentiert. Es gibt Räume in denen Wachstumsversuche und mysteriöse Tests stattfinden, Anpflanzungen fremdartiger Gewächse gedeihen, kristalline Gebilde wuchern und zurückgelassene Kampftechnik floral vereinnahmt wird. Der Mensch selbst fehlt in den Inszenierungen, hat sie verlassen, vergessen, sich selbst überlassen oder ist einfach gerade nicht anwesend.
Die inhaltlichen Wurzeln der Arbeiten liegen in meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung und meinem Interesse an bio-technologischen Zusammenhängen. Ich versuche Interaktionen und Einflüssse zwischen Natur und humaner Sphäre, zwischen anthropogenen Absichten und natürlichen Prozessen zu untersuchen und darzustellen. Die Arbeit an den Bildern geschieht dabei mehr intuitiv ohne dass ich mich auf konkrete inhaltliche Aussagen oder Formulierungen festlege.
Ich bevorzuge morbide, verfallende Architekturen weil mich an ihnen die von Zufallsprozessen beeinflussten strukturellen ästhetischen Details interessieren. Bauwerke, sich selbst überlassen, ohne menschlichen Erhaltungsaufwand, unterliegen den an ihnen arbeitenden Naturgesetzen.
Die Räume finde ich in den architektonischen Relikten der Industrie- und Kulturbauten Osteuropas, aber auch in Ostbayern, wo beispielsweise in den 1990er Jahren zahlreiche Porzellanfabriken geschlossen wurden.
Auf ausgedehnten fotografischen Exkursionen durch die Städte Ostdeutschlands, Tschechiens und Polens spüre ich die Gebäude auf, dringe in sie ein und fotografiere die für mich interessanten Raumsituationen im HDR-Verfahren (Hight Dynamic Range). Mein digitales Archiv umfasst inzwischen mehrere tausend Raumaufnahmen aus denen ich die Motive für meine aktuellen Arbeiten auswählen kann. Zahlreiche der bereits fotografierten Objekte wurden inzwischen abgerissen und mussten modernen Bauten weichen. Deshalb bin ich bemüht, möglichst viele dieser verschwindenden architektonischen Überbleibsel fotografisch zu dokumentieren, um sie später als Ausgangsmaterial für meine virtuellen Installationen verwenden zu können.
Wolfgang Herzer, 2010